Donnerstag, 10. November 2016

BIG DATA - endgültig niedergetrumpelt!!!

Wenn offenbar keine der Wahlprognosen einen Sieg von Donald Trump für möglich hielt, dann muss man sich fragen, fallen wir zurück in die Steinzeit der Datenverarbeitung? Denn sogar die Röhren der 50er Jahre waren besser als die Superchips des 21. Jahrhunderts.  1952 hatte der Sender CBS erstmals eine Univac I eingesetzt, um eine Wahlprognose abzugeben. Und die Journalisten trauten ihren Augen nicht, als der Rechner - entgegen allen Umfrageergebnissen - einen erdrutschartigen Sieg für den republikanischen Kandidaten General Dwight D. Eisenhower berechnete. 438 Wahlmännerstimmen würde er bekommen, sein demopkratischer Gegenspieler nur 93. Das Ergebnis war so sensationell, dass der Sender erst gar nicht mit dieser Prognose des "Elektronengehirn" herausrücken wollte. Am Ende der Wahlnacht waren es dann im amtlichen Endergebnis 442 zu 89. Die Abweichung zur Prognose war geringer als ein Prozent.
Computer halfen auch 1960 dem katholischen Kandidaten John F. Kennedy im protestantischen Amerika zum Wahlsieg. Sie hatten dem Underdog Kennedy genau gesagt, mit welchen Aussagen und in welcher Form er die Wähler hinter sich bekommen würde. So empfahlen sie ihm, ganz offen mit seiner katholischen Herkunft umzugehen. Kennedy machte genau das, was der neue Präsident der Vereinigten Staaten in seinem Wahlkampf getan hatte: er kalkulierte die Gefühle der Menschen - und er hatte mit Abstand die intelligenteren Spin-Doktoren auf seiner Seite. Das muss man neidlos anerkennen. Big Data allein ist keine Lösung, vielleicht sogar das Problem. Am Ende muss über allem die richtige, die kreative Strategie stehen. Wer die nicht besitzt, läuft in seine eigenen Datenfallen. Oder?

Mittwoch, 9. November 2016

Independence Day: USA erklären die Unabhängigkeit der USA von den USA...

Kommentar
Wird aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten nun das Land der unberechenbaren Möglichkeiten? Was uns in Europa schon bei Barack Obama schwerfiel zu begreifen, ist, dass der Wahlkampf nicht für uns gemacht wird, sondern für die Amerikaner. Und die verschwenden bei ihrer Wahl auch nicht einen einzigen Gedanken darüber, was wir hier in der Alten Welt über sie in der Neuen Welt denken. Nun stehen wir da mit all unseren Entrüstungen - wie 1983, als Ronald Reagan die Sowjetunion zum "Reich des Bösen" erklärte und wir uns über ihn lustig machten (ich gehörte auch dazu). Das "Reich des Bösen" - so haben sie gewählt - ist jetzt dieses Washington, das immer selbstgefälliger wurde seit dem Ende der Amtszeit von Reagan. Von der Arroganz der Macht möchten sie sich lossagen. Und Trump hat dieses Bedürfnis befriedigt. Das ist die neue Unabhängigkeitserklärung, die ja auch eine Loslösung von einem ancien regime gewesen ist. Das war zwar damals ein paar tausend Seemeilen entfernt, also unser Europa, aber wahrscheinlich war den Amerikanern nun Washington auch zu weit entfernt...
Wäre ich Amerikaner, hätte ich Herrn Trump nicht gewählt. Aber Frau Clinton wäre deswegen noch lange nicht meine erste Wahl gewesen. Ich bin froh, dass ich kein Amerikaner bin.
Raimund Vollmer

Mittwoch, 26. Oktober 2016

Zitat des Tages: Das Elektroauto 1970, Bosch und der Richterspruch - eine kleine Assoziationskette

1970: »Jahre sind vergangen, seit wir mit dem Bosch-Elektroauto durch Stuttgarts Straßen fuhren, und noch immer gibt es kein serienreifes Fahrzeug dieser Art.«
Die Zeitschrift Hobby in ihrer Ausgabe vom 16. September 1970

Hätte Bosch doch VW  das Elektro-Auto geliefert, es wäre besser angelegtes Geld als...

Montag, 24. Oktober 2016

Rück-Click: Warum AT&T Time-Warner kaufen möchte




1994: »Seit dem Zweiten Weltkrieg hat das Militär die Fortschritte in der Technologie angetrieben. Nun sehen wir, dass diese Rolle von der Unterhaltungsindustrie übernommen wird.«

Ed McCracken, CE0 von Slicon Graphics

2002: »Als Napster seine Dienste einstellen musste, verschwand auch die Nachfrage nach Breitbandverkabelung.«

Robert Murdoch, Verleger

1994: »In einer Hierarchie bestimmt der Titel darüber, welche Macht Du hast. In einem Netz sind es die Menschen, die Du kennst.«
Paul Saffo, Institute of the Future in Menlo Park (Kalifornien)

2000: »Das Internet ist ein Null-Umsatz-Geschäft für traditionelle Medienfirmen.«

Jupiter, Internet consultancy

Sonntag, 4. September 2016

Windows 10 - Nun fange ich an, Microsoft zu hassen...

(Kommentar) ... denn diese Software ist in jeder Beziehung kontraproduktiv. Alles, was ich früher einigermaßen intuitiv gemacht habe, wird nun durch weitere Clicks irritiert, ich verliere die Konzentration und beschäftige mich mehr damit, wie Microsoft funktioniert als damit, was ich eigentlich tun wollte. Es ist das mit Abstand schlechteste Produkt, das ich in 30 Jahren Erfahrung mit Microsoft benutzt habe. Dies Produkt wurde von Leuten entwickelt, die offensichtlich die Aufgabe hatten, eine komplette Selbstbezüglichkeit auf ihren Arbeitgeber herzustellen. Und nun sollen wir uns in der Cloud diesen Typen komplett ausliefern?
Es wird Zeit, dass in der IT endlich der große Bruch vollzogen wird. Im Netz. In der Software. Im Service. Diesen Leuten, die momentan das Netz zu beherrschen versuchen, können wir unsere Zukunft nicht anvertrauen. Sie sind schlichtweg unfähig.
Ein bislang sehr geduldiger User.
Raimund Vollmer

Freitag, 26. August 2016

Zum Tode von Heinz Sebiger: In bitterster Armut...

,,, wuchs der Mann auf, der 1966 die DATEV im reifen Alter von 43 Jahren gründete und nun in der Nacht zum Donnerstag im Alter von 93 Jahren in seiner Geburtsstadt Nürnberg verstarb. Was vielleicht kaum einer weiß: Er ist als uneheliches Kind zur Welt gekommen. Ohne Vater wuchs er (Jahrgang 1923) auf. Seine Familie, seine Mutter und seine ältere Schwester, hätten ohne die Rente seiner Großmutter kaum überleben können - und so war das Unglück perfekt, als die Großmutter starb und die wichtigste Erwerbsquelle fehlte. Sie mussten ihre Wohnung verlassen und zogen in jene Wohngegend Nürnbergs, die fest in kommunistischer Hand war. Die Mutter versuchte als Gardrobiere an einem Nürnberger Theater die Familie über die schweren Zeiten zu bringen. Nun erlebte er, wie die Nationalsozialisten immer wieder Razzien in seinem Wohnviertel durchführten und nach Waffen suchten. Die Kommunisten versteckten diese jedoch in den Schulranzen der Kinder, die sie damit auf die Straße schickten. So auch den Jungen Heinz. Es sind diese persönlichen Geschichten, die mir aus dem Leben dieses großen Mannes am nachhaltigsten in Erinnerung sind (und die ich hier jetzt auch aus dem Stegreif erzähle). Ich bin ihm 1978 zum ersten Mal begegnet. Es waren diese persönlöichen Erzählungen, die ihn für mich mehr als alles andere zum väterlichen Freund machten - und zum Vorbild. Er hätte, wie sein japanischer Freund, sein Blutsbruder, ihm einmal gesagt hatte, mit der Datev Milliardär werden können, wenn er sie als Aktiengesellschaft gegründet hätte.
Doch mit der Entscheidung für eine Genossenschaft, deren Patriarch er war, hatte er den Wert "seines" Unternehmens auf Abertausende von Mitglieder verteilt. Und die minutenlangen Standing Ovations, mit denen er beim Jubiläum zum 50jährigen Bestehen geehrt wurde, zeigten, wie dankbar die Mitglieder ihm waren. Und das war ihm mehr wert als alles Geld der Welt. Denn Dankbarkeit war das Leitmotiv, das ihn 1966 dazu brachte, den für ihn nicht einfachen Schritt an die Spitze der Datev zu wagen. Gerade weil er aus diesen ärmlichsten Verhältnissen kam, Krieg und Nachkrieg erlebt hatte, sogar vom Volksschüler zum diplomierten Volkswirt sich enporlernte, eine eigene Kanzlei in seiner Vaterstadt führte, gerade weil ihm dieser Aufstieg geglückt war, hatte er das Bedürfnis gehabt, der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Und diese Selbstlosigkeit, die einher ging mit sehr viel Selbstbewusstsein, machte ihn zu einem ganz, ganz Großen der deutschen Wirtschaftsgeschichte.
Ich werde ihn sehr, sehr vermissen. Vor allem seinen mit unglaublichem Esprit angreicherten Humor. In seinem Innersten war er nämlich ein Lausbub, der - und das weiß auch kaum jemand - in seiner Jugend sogar Steptänzer war. Das letzte Mal hatte er diese Fähigkeit eingesetzt, als er um seine Frau warb. Da wird mancher, der ihn nur als Steuerberater (denn das war seine Haltung auch als Chef der Datev) kannten, staunen. Aber auch das war etwas, was Heinz Sebiger auszeichnete: Er konnte wirklich wie ein Kind staunen. Vor allem über die Technik. Hier musste er immer das Neueste und Beste haben. Vor allem von Apple.
Raimund Vollmer

Samstag, 2. Juli 2016

Zum Tode von Alvin Toffler



Ich war seit 1980, als sein Buch "Die Zukunftschance" erschien, ein großer Bewunderer dieses Zukunftsforschers, der zehn Jahre zuvor mit seinem Buch "Der Zukunftsschock" weltweit Aufsehen erregte. Alvin Toffler besaß das, was unseren hauseigenen Propheten und Prognostikern in der Regel fehlt: eine unglaubliche Vorstellungskraft. Wo wir meinen, mit Zahlen zu erwartende Entwicklungen belegen zu können, operierte Toffler mit Beispielen aus einem schier unerschöpflichen Schatz. Er schrieb für Menschen, nicht für Kollegen. Das machte ihn zum meistzitierten Zukunftsforscher der Welt. Aus seinen Werken kann man heute noch Ideen für die Zukunft in Hülle und Fülle entnehmen. Er war ein Gigant. 
Im vergangenen Jahr habe ich mich mal drangesetzt, die vergangenen 40 Jahre, in denen ich die Computerbranche als journalistischer Beobachter begleiten durfte, zu rekapitulieren und bin dabei immer wieder in Themen hineingerutscht, die eigentlich gar nichts mit der IT zu tun haben - und dennoch durch das Wort "Digitalisierung" längst eingebunden sind in die Megatrends unseres Jahrhunderts, unseres Jahrtausends. Vorbild beim Schreiben war dabei auch immer wieder Alvin Toffler. Ich war erstaunt, wieviel wir alles haben schon wissen können, wenn wir nur gewollt hätten. Das Manuskript, das längst die ersten 100 Seiten passiert hat, lässt mich nicht mehr los. Immer wieder entdecke ich (für mich) Neues oder Vergessenes, von dem ich glaube, dass es in diese Story hineingehört. Es ist eine riesige Baustelle. Ich kann mir vorstellen, dass Alvin Toffler ähnlich gearbeitet hat. Anlässlich seines Todes wage ich mich mit meinem Manuskript mal ein wenig heraus aus meiner eher trappistischen Arbeit. Ich bin 1975 in die Computerbranche hineingerutscht - als blutjunger Journalist. Zu einem Zeitpunkt, von dem ein anderer Visionär, Peter F. Drucker, meinte, dass bereits jetzt das 21. Jahrhundert begonnen hat. Dies nur zur Erklärung. Das Manuskript hat den folgenden Arbeits-Titel:


Kapitel 4: Der Zukunftsschock

Am 1. Januar 1975 erschien auf der Titelseite der amerikanischen Fachzeitschrift "Popular Electronics" ein Bild des ersten Heimcomputers der Welt. Sein Name: Altair. Wie der ferne Stern. Und die, die ihn als erste sahen und richtig deuteten, waren die beiden Amerikaner Paul Allen und Bill Gates. Inspiriert von dieser Titelgeschichte starteten sie am 4. April 1975 das bald mit seinen Befehlssätzen auf nahezu allen Computern präsente "Projekt Microsoft".
Eine neue Ära begann. Gerade rechtzeitig. Denn es herrschte Endzeitstimmung, wenngleich aus höchst unterschiedlichen Beweggründen. Der Journalist Alvin Toffler hatte 1970 seinen Weltbestseller "Der Zukunftsschock" veröffentlicht. Was sich momentan vor unseren Augen abspiele, sei "nichts weniger als die zweite große Trennungslinie der Menschheitsgeschichte", meinte der Amerikaner, der mit seinen Werken der meistzitierte Futurologe der Welt werden sollte. Mit dem Übergang vom "Natur- zum Kulturzustand" habe die Menschheit den "ersten großen Bruch" vollzogen. Nun aber befänden wir uns in einer Epoche, die "weit umfassender, tiefgreifender und bedeutsamer sei als eine industrielle Revolution". Alles verändere sich nicht nur viel zu schnell, sondern obendrein mit steigender Geschwindigkeit.[1]
Selbst der deutsche Zukunftsforscher Robert Jungk war beeindruckt von Tofflers Werk: "Noch nie ist mit einer solchen Überfülle von Fakten gezeigt worden, wie technischer Fortschritt, der über den Produkten die Produzenten vernachlässigte, zu einer kollektiven Erkrankung führte, für die der Autor den Terminus 'Zukunftsschock' fand", meinte Jungk in einer Buchbesprechung in der Zeitschrift  "Der Spiegel", die damals noch als Nachrichtenmagazin typisiert wurde.
Das Jahr 1975 wirkte wie eine Zäsur, eine Epoche war zu Ende, eine neue begann. In Rambouillet, 50 Kilometer von Paris entfernt, hatte am 15. November 1975 auf Initiative von Frankreichs Präsidenten Valéry Giscard d'Estaing und Bundeskanzler Helmut Schmidt der erste Weltwirtschaftsgipfel stattgefunden, zu dem sich seitdem die mächtigsten Wirtschaftsnationen der freien Welt jährlich treffen. Die Politik wollte ein Zeichen setzen.
Nachdem durch Präsident Richard Nixon am 15. August 1971 das auf festen Wechselkursen basierende System von Bretton-Woods praktisch aufgekündigt worden war,  hatte die Politik vergeblich nach einer Lösung gesucht, nach einem Bretton-Woods 2.0.
1944 hatten sich die USA als einzige Nation der Welt verpflichtet, jederzeit Gold für einen festen Wert von - damals - 35 Dollar je Unze einzutauschen. Doch richtig funktioniert hatte nach Ansicht des Nobelpreisträgers Milton Friedman dieses System nur "von 1959 bis 1967".[2] Und auch da war längst klar, dass die Goldreserven der USA, die in Fort Knox versammelt waren, niemals ausgereicht hätten, um alle Ansprüche der Dollarkunden zu befriedigen. Ja, in den sechziger Jahren hatten die USA die Bundesrepublik mehrfach darum gebeten, auf einen solchen Tausch von Dollars in Gold zu verzichten, um diese Reserven zu schonen. Der französische Präsident Charles De Gaulle war da weitaus weniger zimperlich.[3] Ihn störte die Macht des Dollars ohnehin.
Auf jeden Fall ähnelte das System von Bretton Wods mehr und mehr einem Kartenhaus, das irgendwann einstürzen würde.
"Besonders kräftig schlugen die Wechselkurse zwischen 1973 und 1975 aus, als das Bretton Woods-System endgültig zusammenbrach, die Ölpreise stark erhöht wurden, die Inflationsraten kräftig stiegen und nicht zuletzt die Geldpolitik unstetig war", bemerkte 1988 der Konjunkturforscher Joachim Scheide vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel in der FAZ[4]
Je größer die Ausschläge, desto stärker wuchs in der Folge der Wunsch nach einem neuen Bretton Woods. Und Zahlen schienen die Richtigkeit dieses Begehrens zu bestätigen. Hatte in den G7-Ländern die Wachstumsrate vor der Aufkündigung der festen Wechselkurse im Schnitt bei fünf Prozent gelegen, so sollte sich die Quote in den nächsten zwanzig Jahre halbieren - einer der Gründe, warum sich viele immer wieder die Rückkehr zu dem alten System wünschten. Aber war das freie Floaten der Währungen wirklich die Ursache? [5] War es nicht vielmehr die Verschuldungspolitik der Staaten, dieses Erbe des 20. Jahrhunderts?
Auf jeden Fall schien der Primat der Politik, vor allem den der USA,  durchbrochen.[6] Die Märkte übernahmen die Macht. Es herrschte ein "Non-System", wie es Wilfried Guth, von 1976 bis 1985 Vorstandssprecher der Deutschen Bank, nannte.[7] Ein Gefühl von Anarchie breitete sich aus. Wie sollte es gebändigt werden?
Bretton Woods gehörte einer Zeit an, in der die internationalen Kapitalflüsse noch sehr limitiert waren. Doch nun zeigte der technologische Fortschritt, kombiniert mit Finanzinnovationen, mehr und mehr seine alles durchdringende Wirkung. Geld ließ sich jederzeit in Sekundenschnelle praktisch überall hin transferieren.[8] Und es sammelte sich immer mehr Geld an - mit dem Dollar als einer Art Weltwährungsersatz. Zum ersten Mal überschritten 1975 die in der US-Währung angelegten Geldbestände weltweit die Summe von fünf Billionen Dollar. [9] Dieser  Betrag wird heute täglich auf den weltweiten Kapitalmärkten bewegt - möglich durch die immensen Investitionen in schnelle Netze und noch schnellere Rechner.
Das Geld entzog sich seit den siebziger Jahren immer mehr der Kontrolle durch die Zentralbanken. Noch in den sechziger Jahren wurden sie wegen ihrer Macht bewundert - allen voran die Deutsche Bundesbank. Die Währungshüter konnten ohne eine einzige Signatur aus dem Stand heraus Milliardenbeträge hin und her schieben. Am Telefon. Doch mit dem Einzug der Computer gewannen die "Spekulanten" immer mehr die Oberhand. Gegen den Markt ging nichts mehr.
Die Dollars vagabundierte in alle Richtungen. Dabei waren die Handlungsweisen der Akteure keineswegs immer rational, wie der Nobelpreisträger James Tobin 1978 feststellte. Kurzfristige Gewinnmitnahmen durch Wechselkursschwankungen würden an den Finanzmärkten die Entscheidungen bestimmen und dabei langfristige Investitionsbetrachtungen verdrängen. Weil die beste aller Lösungen, die Vereinigung zu einer einzigen Weltwährung, seiner Meinung nach auf lange Sicht nicht durchsetzbar war, schlug er damals vor, auf jede Transaktion eine Steuer zu erheben. Weltweit. Für ihn die "zweitbeste Lösung". Sie würde eine Rückkehr zu mittel- und langfristigen Investitionen ermöglichen und den Staaten eine, wenn auch bescheidene Kontrolle über die Währungen zurückgeben. Eine faszinierende Alternative - zumal der technische Fortschritt dem überhaupt nicht entgegenstand. Eigentlich müsste die Politik darauf abfahren. Doch nichts geschah.[10]
Es kam die Zeit, in der die Chicagoer Schule mit ihren neoliberalen Ideen die Weltwirtschaftspolitik bestimmen sollte. "Die Verlagerung des Schwerpunktes nach Chicago war mir nach 1975 klar", bemerkte einer ihrer besten Vertreter, der Nobelpreisträger Gary S. Becker. Die Superstars dieser auf den freien Markt setzenden Bewegung waren Friedrich von Hayek, der 1974 den Nobelpreis erhalten hatte, und Milton Friedman, der 1976 geehrt wurde. Der Glaube an den Staat, der sich alles Wissen anmaßte, war gebrochen - aber auch der Glaube an die Wirtschaftswissenschaften erodierte. Mit ihrem durch Stabilitäts- und Beschäftigungsgesetze gestärkten Bekenntnis zu den Theorien des Briten John Maynard Keynes vermeinten sie alles, die Wirtschaft mit ihren Zyklen, im Griff zu haben. Lange Zeit schienen sie auch im Recht zu sein. 
Es war das Ende der Megalomanie, des Größenwahns, in der uns alles, was wir anpackten zu groß geraten war: der Staat und die Bürokratie, der heiße Krieg und der kalte Frieden, die Wirtschaft und die Unternehmen, die gesamte Maschinerie. Wissenschaft und Technik, Gesellschaft und Politik - sie alle hatten sich übernommen. Finanziell, aber auch geistig.
Der Zukunftsschock saß tief. Überall waren die Zeichen des Verfalls zu sehen


[1] Alvin Toffler, New York 1970, "Future Shock - Der Zukunftsschock", Seite 18
[2] Wall Street Journal, September 23, 1992, Milton Friedman: "Deja Vu in Currency Markets"
[3] Der Spiegel, 3. Oktober 1966: "Währung - Notenbanken: Letzte Hilfe"
[4] Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6. Februar 1988, Joachim Scheide: "Louvre - die Illusion der Macher"
[5] Financial Times, July 28, 1994, Samuel Brittan: Not going back to Bretton Woods"
[6] Financial Times, November 11, 2008, Gideon Rachman: The Bretton Woods sequel will flop"
[7] Die Zeit, 15. Juli 1997, Nikolaus Piper: "Verrückte Kursausschläge verhindern"
[8] The Economist, April 11. 1998, "The perils if global capital"
[9] Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29. November 1975, Henry C. Wallich: "Geldpolitik in den Vereinigten Staaten"
[10] Financial Times, December 22, 1992, James Tobin: "Tax the speculators"

Freitag, 3. Juni 2016

Wer denkt dabei nicht an die Deutsche Bank?

1929: »Jede große Krise weist auf die exzessiven Spekulationen von Häusern hin, die niemand zuvor verdächtigt hat.«

Walter Bagehot, Wirtschaftsjournalist, 1929